Extrusion 4-2019

33 Extrusion 4/2019 Eigenspannungen im Bauteil zu einer erhöhten Spannungsriss- anfälligkeit führen [Mic99]. Weiterhin gibt die mechanische Festigkeit der Quetschnähte als wichtigstes Kriterium Aufschluss über die Quetschnahgüte [Bec89, PW70, Sch73]. Diese kann im Zugversuch Probekör- pern ermittelt werden, die aus dem Quetschnahtbereich ent- nommen sind. Eine Erhöhung der Werkzeug- oder Material- temperatur kann dies verhindern, führt aber insgesamt zu län- geren Zykluszeiten und einem höheren Energiebedarf für das Aufwärmen und anschließende Abkühlen. Material und Methoden Für die Überprüfung des Einflusses einer variothermen Tempe- rierung auf die Quetschnahtgüte werden Blasformversuche durchgeführt. Hierzu werden rotationssymmetrische Flaschen mit einem Durchmesser von 80 mm hergestellt. Die Flaschen werden auf einer Einstationen-Blasanlage BM-206 der Bekum Maschinenfabrik GmbH, Berlin, bei einer Materialtemperatur von 190 °C für PE-HD und 200 °C für PP und einer Schnecken- drehzahl von 6,1 U/min hergestellt. In dem am IKV vorhandenen modular aufgebauten Blasform- werkzeug ist die Schneidkante austauschbar. Diese wurde so modifiziert, dass eine Heizpatrone für deren variotherme Tem- perierung aufgenommen werden kann. Die Heizpatrone befin- det sich mit 4 mm Abstand so nah wie möglich am Rand der Schneidkante. Dadurch wird ein schnelles Aufheizen ermög- licht. Die Heizpatrone hat eine Leistung von 500 W und wird über ein an der Schneidkante angebrachtes Thermoelement (Pt100 Typ K) geregelt. Hinter der Heizpatrone liegt ein Tempe- rierkanal mit einem Durchmesser von 8 mm, um die einge- brachte Wärme abführen zu können. Bild 1 zeigt die Schneid- kante mit eingebachter Heizpatrone sowie Kühlkanal in Schnittdarstellung. Die Schneidkante wird während des Blasformzyklus variotherm temperiert. Bild 2 stellt die Abfolge der Heiz- und Kühlphasen dar. Dabei wird die Schneidkante während der Extrusion des Vorformlings mittels Heizpatrone aufgeheizt. Nach der Über- nahme des Schlauches durch die Blasform beginnt die Kühlzeit, in der die Wassertemperierung zugeschaltet wird. Mit dem Ent- formen des Bauteils beginnt erneut die Heizphase. Der durchgeführt Versuchsplan ist in Tabelle 1 dargestellt. Ne- ben dem Material werden die Schneidkantentemperatur und die Art der Temperierung (variotherme Temperierung (v), kon- ventionelle Temperierung (k)) variiert. Für die Versuche sind zwei verschiedene Materialien untersucht worden: Zum einen ein PE-HD vom Typ Purell PE 3020D, LyondellBasell, Rotterdam, mit einer Dichte von 0,927 g/cm³ und einem Schmelzeindex von 0,3 g/10 min (190 °C, 2,16 kg) [URL19a]. Zum anderen ein PP vom Typ Moplen RP241H, LyondellBasell, mit einer Dichte von 0,9 g/cm³ und einem Schmelzeindex von 1,8 g/10 min (190 °C, 2,16 kg) [URL19b]. Dabei werden im Folgenden nur die Ergebnisse für PE-HD diskutiert. Neben den variierten Para- metern im Versuchsplan sind die restlichen Maschinengrößen wie zum Beispiel die Zykluszeit oder die Extruderdrehzahl kons- tant gehalten worden. Aus den hergestellte Flaschen werden Zugprobekörper der Größe S2 nach DIN 53504 ausgestanzt und im uniaxialen Zug- versuch auf einer Standardzugprüfmaschine des Typs Z100 der Firma Zwick Roell GmbH, Ulm, geprüft. Die Prüfgeschwindig- keit beträgt 100 mm/min. Für die Bestimmung der Kerbzahl werden senkrecht zur Quetschnaht Proben entnommen und mit einem Mikrotom Dünnschnitte mit einer Dicke von 15 µm hergestellt. Mikroskopisch untersucht werden die Dünnschnitte mit dem Polarisationsmikroskop Keyence VHX-5000, Keyence Corporation, Osaka. Dies ermöglicht eine Vermessung der Pro- ben zur Bestimmung der Kerbzahl sowie Auswertung der ein- gefrorenen Eigenspannungen im Material. Pro Versuchspunkt sind für die mechanische Prüfung 10 Flaschen und 3 Flaschen für die mikroskopische Analyse hergestellt worden. Bild 3 stellt die Entnahme der Zugstäbe sowie Mikrotomschnitte aus dem Quetschnahtbereich dar. Versuchsauswertung und Diskussion Im Folgenden werden zunächst die Ergebnisse der Zugversuche und anschließend die Quetschnahtgeometrie anhand der Mi- krotomschnitte dargestellt und diskutiert. Zugversuche Bild 4 zeigt die Bruchkraft der Quetschnähte bei konventionel- ler und variothermer Temperierung für unterschiedliche Schneidkantentemperaturen. Bei konstanter Temperierung ist die Bruchkraft bei allen Tempe- raturen etwa auf gleichem Niveau bei 63 N, nur bei 80 °C ist die Bruchkraft mit 60 N etwas geringer. Es zeigt sich also, dass eine reine Erhöhung der Schneidkantentemperatur nicht zu ei- ner signifikanten Verbesserung der Bruchkraft führt. Bei einer variotherm temperierten Schneidkante ist zu erken- Tabelle 1: Blasendurchmesser bei unterschiedlichen Abständen zum Werkzeugaustritt Bild 3: Entnahme der Zugstäbe (links) und Mikrotomschnitte (rechts) aus dem Flaschenboden Versuchsplan Material PE-HD PP Schneidkanten- 20 50 80 20 50 80 temperatur [°C] Temperierung v k v k v k v k v k v k Konstante Parameter Schmelzetemperatur [°C] 190 (PE-HD); 200 (PP) Extruderdrehzahl [1/min] 6,1 Zykluszeit [s] 72

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