Extrusion 4-2020
Polymerfolien, die extrem dünn sind und eine hohe Lichtstreuung aufweisen, sind das Ergebnis eines neuen Verfahrens aus dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Das kostengünstige Material lässt sich industriell auf unterschiedlichsten Gegenständen aufbringen, um ihnen eine attraktive weiße Optik zu verleihen. Zudem kann das Verfahren Produkte umweltfreundlicher machen. E ine strahlend weiße Oberfläche lässt Möbel und andere Ge- genstände sauber, hell und modern wirken. Bislang ist Titan- dioxid das Standardpigment, um Lacke, Farben und Kunststof- fe, aber auch Kosmetika, Lebensmittel, Kaugummi oder Tablet- ten Weiß zu färben. Das Pigment steht jedoch in der Kritik. „Ti- tandioxid hat einen sehr hohen Brechungsindex, es reflektiert einfallendes Licht fast vollständig, hat jedoch den Nachteil, dass sich seine Partikel nicht abbauen und dadurch auf Dauer die Umwelt belasten“, sagt Professor Hendrik Hölscher vom Institut für Mikrostrukturtechnik (IMT) des KIT. Zudem gibt es Beden- ken, dass Titandioxid möglicherweise gesundheitsschädlich sein könnte. „Wir umgehen die Verwendung von umwelt- und gesundheits- schädlichen Pigmenten, indem wir poröse Polymerstrukturen mit vergleichbar hoher Streuung erzeugen“, so Hölscher. Inspiriert wurden er und sein Team von dem weißen Käfer Cyphochilus in- sulanus, dessen Schuppen dank einer speziellen Nanostruktur seines Chitinpanzers weiß erscheinen. „Nach diesem Vorbild stellen wir aus Polymeren feste, poröse Nanostrukturen her, die einem Schwamm ähneln“, sagt Hölscher, der am IMT die For- schungsgruppe Biomimetische Oberflächen leitet. Wie die Bläs- chen von Rasier- oder Badeschaum sorgt auch hier die Struktur für eine Streuung des Lichts, die das Material weiß wirken lässt. 28 Neue Materialien – Aus der Forschung Extrusion 4/2020 Strahlendes Weiß ohne Pigmente Nach dem Vorbild des weißen Käfers Cyphochilus insulanus erzeugt ein nanostrukturierter Polymerfilm eine strahlend weiße Beschichtung (Foto: Julia Syurik, KIT) Video „Von Käfern Lernen: Oberflächen nach dem Vorbild der Natur“: https://media.bibliothek.kit.edu/world/2020/ DIVA-2020-197_mp4.mp4 Die neue Technik für eine kostengünstige und unbedenkliche weiße Optik eignet sich für verschiedenste Oberflächen. Umweltfreundliche Materialien – nach dem Vorbild der Natur „Die mit unserem Verfahren gefertigten Polymerfolien sind ex- trem dünn, flexibel und leicht, aber dennoch mechanisch stabil und lassen sich industriell auf unterschiedliche Produkte auf- bringen“, erläutert der Physiker. Bei einer Stärke von neun Mi- krometern – neun Tausendstel Millimeter – reflektiert die neu- entwickelte Polymerfolie mehr als 57 Prozent des einfallenden Lichts. 80 bis 90 Prozent sind bei einer dickeren Folie erreichbar. Für die Entwicklung wurde die schwammförmige Mikrostruktur auf Acrylglas aufgebracht. Das Verfahren lässt sich jedoch auf viele andere Polymere übertragen. „Neben Folien lassen sich auch ganze Gegenstände entsprechend Weiß färben, wir pla- nen als nächsten Schritt Partikel, zum Beispiel kleine Kügel- chen, herzustellen, um sie in andere Materialien einbringen zu können“, so Hölscher. „Es gibt bereits Anfragen von Firmen, die bestrebt sind, ihre Produkte umweltfreundlicher zu ma- chen.“ Während Ingenieurinnen und Ingenieure häufig Lösun- gen mit Materialien aus vielen verschiedenen chemischen Ele- menten entwickelten, beschränke sich die Natur meist auf ein einziges Grundmaterial, das dank einer komplexen dreidimen- sionalen Struktur interessante mechanische, optische oder phy- sikalisch-chemische Eigenschaften aufweise. Die Bionik, die sich damit beschäftigt, die Phänomene der Natur zu verstehen und zu imitieren, um sie technisch nutzbar zu machen, führe häufig zu völlig neuen Lösungen – die auf anderem Weg viel- leicht nie gefunden worden wären, so der Forscher. Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Strategische Entwicklung und Kommunikation (SEK) Kaiserstr. 12, 76131 Karlsruhe, Deutschland www.materials.kit.edu/index.php, www.kit.edu
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