Extrusion 5-2023

25 Extrusion 5/2023 Extrusionswerkzeuge – Aus der Forschung D ie nachfolgenden Untersuchungen basieren daher auf einem gegensätzlichen Ansatz. Mit Hilfe einer lokaler Wär- merohrkühlung soll am Beispiel eines radialen 2³-Vorverteilers eine thermische Werkzeughomogenisierung vorgenommen werden, die eine lokale Schmelzeüberhitzung vermeidet und so- wohl prozesspunktunabhängig als auch wartungsarm ist. Wärmerohre in der Extrusionsanwendung Wärmerohre (engl. „heat pipes“) sind Wärmeüberträger, wel- che auf dem Prinzip der Verdampfungsenthalpie beruhen. Sie werden derzeit vor allem zur Temperaturstabilisierung in den Be- reichen Energie- und Elektrotechnik, Solartechnik sowie Luft- und Raumfahrttechnik eingesetzt [Fag18, Ste18]. Die lokale Wärmeabfuhr aus Spritzgieß- und Extrusionswerkzeugen ist Ge- genstand aktueller Forschung [HLSW22, KHMJ19, KHMJ21]. Es handelt sich um geschlossene metallische Hohlkörper, deren schematischer Aufbau in Bild 1 dargestellt ist. Wärmerohre las- sen sich in einen Verdampferbereich, eine adiabate Transport- zone und einen Kondensatorbereich unterteilen. Auf der Innenseite der Hülle befindet sich eine Kapillarstruktur. Das Wär- merohr ist teilgefüllt mit einem Arbeitsmedium, welches sich im thermodynamischen Gleichgewicht zwischen flüssiger und dampfförmiger Phase bei einem Druck von einigen Millibar be- findet. Durch Wärmezufuhr am Verdampferende des Wärme- rohrs beginnt die flüssige Phase des Arbeitsmediums zu sieden. Wartungsfreie Temperierung homogenisiert Werkzeuge thermisch Ziel der Auslegung von Extrusionswerkzeugen wie zum Beispiel Wendelverteilerwerkzeugen für die Blasfolienextrusion ist eine homogene Geschwin- digkeits- und Temperaturverteilung der Kunststoff- schmelze am Werkzeugaustritt. Eine große Herausforderung ist die Kompensation von thermi- schen Effekten im Vorverteiler, die zu ungleichmä- ßigen Fließ- und Verstreckwiderständen über dem Umfang der Folienblase beim Aufblasvorgang füh- ren. Gründe dafür sind Temperaturunterschiede im Werkzeug sowie lokale Schererwärmung der Schmelze entlang der einzelnen Fließwege. Verur- sacht werden die Temperaturunterschiede durch das außenliegende Heizband, während durch das Werk- zeugzentrum kalte Stützluft geführt wird. Das hat einen radialen Temperaturgradienten im Werkzeug zur Folge. Weiterhin treten Temperaturunterschiede über dem Umfang auf, die durch die Fließkanalführung im Werkzeug hervorgerufen werden. In Summe entstehen überhitzte Stellen (Hotspots) im Werkzeug, was sich auch in der Temperatur- und Durchsatzverteilung widerspiegelt. Eine Möglichkeit zur Homogeni- sierung ist der Einsatz von Heizpatronen und isolierenden Aussparungen. Allerdings zeigten die Arbeiten von Hopmann und Yesildag, dass zur Homogenisierung von Temperatur und Durchsatz eine sehr hohe An- zahl an Stellelementen (bis zu 16 Heizpatronen) erforderlich ist. Diese Lösung erhöht die Komplexität und den Wartungsaufwand, und ist darüber hinaus prozesspunktabhängig. Weiterhin besteht bei der Verwen- dung von Heizpatronen die Gefahr einer lokalen Schmelzeüberhitzung [Hop15, Yes17]. Bild 1: Schematischer Aufbau eines Wärmerohrs [Fag18, Gri19, Ste18] Infolge der Verdampfung stellt sich ein Druckgradient zwischen den Wärmerohrenden ein, durch welchen der entstandene Dampf über die adiabate Transportzone hin zum Kondensato- rende transportiert wird. Im Kondensatorende kondensiert der Dampf unter Abgabe seiner Wärme vollständig aus. Das Kon- densat wird im Anschluss autark über die Kapillarstruktur zum Verdampfer zurückgefördert [Fag18, Ste18]. Wärmerohre zeich- nen sich durch eine Vielzahl positiver Eigenschaften wie eine kompakte und leichte Bauweise, die sich an unterschiedliche Geometrien anpassen lässt, und einen verschleiß- und war- tungsfreien Betrieb aus [Ste18]. Die maximale Wärmeübertra- gungsleistung eines Wärmerohres hängt von dem verwendeten Arbeitsmedium, dem Hüllmaterial und der Kapillarstruktur ab [Fag18, Gri19, Ste18], welche wiederum Einsatztemperaturab- hängig gewählt werden. Für die Extrusionsanwendung sind Wärmerohre mit einer Kupfer/Wasser-Kombination geeignet, deren Einsatztemperaturbereich sich von 5 °C bis hin zu 300 °C erstreckt. Zuletzt hat auch die Temperaturdifferenz zwischen den beiden Wärmerohrenden einen maßgeblichen Einfluss auf die übertragene Wärmemenge. Je größer die Temperaturdifferenz zwischen den Wärmerohrenden ausfällt, desto größer ist die ab- geführte Wärmemenge. Wird ein Wärmerohr an einem lokalen Hotspot im Extrusions- werkzeug positioniert und aus dem Werkzeug herausgeführt, agiert die Wärmerohrseite im Werkzeug als Verdampferende. Fluid Hülle Wärmesenke Kapillarstruktur Dampf Wärmequelle

RkJQdWJsaXNoZXIy ODIwMTI=