Extrusion 5-2024
21 Extrusion 5/2024 Alexander Hefner, SKZ: Was genau sind PFAS und warum sollen sie verboten werden? Dr. Andreas Köppel : PFAS ist eine Abkürzung und steht für per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen. Im Endeffekt sind das organi- sche Verbindungen, bei denen die Wasserstoffatome teilweise (polyfluoriert) oder vollständig (perfluoriert) durch Fluoratome er- setzt sind. Von Gasen, Flüssigkeiten bis hin zu fluorhaltigen Kunst- stoffen, wie beispielsweise Polytetrafluorethylen (PTFE), umfasst die gesamte Stoffgruppe der PFAS schätzungsweise mehr als 10.000 Substanzen. PFAS kommen nicht natürlich vor, sind menschgemacht und werden seit den 1940er Jahren industriell hergestellt. Der große Vorteil der PFAS, die sehr starke chemische Verbindung von Fluor und Kohlenstoff, ist zugleich die größte Her- ausforderung. Aufgrund der hohen Stabilität sind PFAS sehr lang- lebig, zersetzen sich nicht und reichern sich daher in der Umwelt, im Menschen und weiteren Organismen an. Das ist besonders problematisch, da einige PFAS im Verdacht stehen, krebserregend zu sein und zu Erkrankungen der Schilddrüse zu führen. Weiter- hin werden Zusammenhänge mit neurologischen Entwicklungs- störungen und Einschränkungen der Fruchtbarkeit hergestellt. Aufgrund dieser Gefahren sollen PFAS verboten werden. Hefner: Wo kommen PFAS bei Kunststoffen überhaupt zum Einsatz? Warum nutzt man sie dort? Und: Gibt es Alternativen? Köppel : PFAS zeichnen sich dadurch aus, dass sie wasser-, fett- und schmutzabweisend sowie chemisch und thermisch sehr sta- bil sind. Gängige Einsatzgebiete kennt man aus dem Alltag wie beispielsweise teflonbeschichtete Pfannen, beschichtete Out- doorkleidung oder Einwegverpackungen, aber auch diverse Kos- metika. Hochleistungskunststoffe wie PTFE, PVDF oder FFKM kommen aufgrund ihrer besonders hohen Chemikalienbestän- digkeit in Form von Ventilen, Dichtungen und Schläuchen in in- dustriellen Anwendungen bei Kontakt mit aggressiven Medien oder auch als Membranmaterialien für Brennstoffzellen zum Ein- satz. Alternativen sind teilweise möglich, vor allem da, wo auch Abstriche bei der Performance in Kauf genommen werden kön- „Es ist davon auszugehen, dass ein Verbot kommt“ Interview zur aktuellen PFAS- Debatte mit SKZ-Gruppenleiter Dr. Andreas Köppel nen wie bei Zahnseide zum Beispiel. Bei Verpackungen mit Le- bensmittelkontakt ist das Risiko durch den direkten Eintrag in die Nahrungskette höher als der Zusatznutzen. Hier muss man ehrlich sagen, dass Verbote sogar Sinn machen. Bei den Hoch- leistungskunststoffen ist es deutlich schwieriger, Alternativma- terialien zu finden. Hierbei muss man sich das Anforderungs- profil sehr genau anschauen und bewerten. Hefner: Wie ist der aktuelle Stand bezüglich eines Verbotes? Köppel : Es wurde ein zweiter Gesetzesentwurf erarbeitet, zu dem es bereits öffentliche Konsultationen gab, um Informationen zur Verwendung von PFAS zu sammeln und potenzielle Gefahren und Nutzen zu bewerten. Es ist davon auszugehen, dass ein Ver- bot kommt. Die Frage ist nur, in welchem Umfang es umgesetzt wird. Bei einem vollumfänglichen Verbot, mit dem wahrschein- lich erst frühestens 2026 zu rechnen wäre, wird es für Unterneh- men allerdings Übergangsfristen von eineinhalb bis dreizehn- einhalb Jahren geben. Es macht also durchaus schon jetzt Sinn, sich Gedanken zu möglichen Materialalternativen zu machen. Hefner: Du leitest die Gruppe Materialentwicklung am SKZ. Inwieweit seid ihr hier aktiv? Köppel : Wir beschäftigen uns grundsätzlich mit allen Kunst- stoffmaterialien und Zuschlagstoffen, da sind natürlich auch PFAS ein Thema. Hierzu stehen wir mit vielen Kunden bereits im Aus- tausch bezüglich der Suche und Entwicklung von Alternativma- terialien. Die Anfragen nehmen stetig zu. Wir bieten deshalb auch Weiterbildungsangebote an und haben einen Kurs entwickelt, der das Rüstzeug zur Suche nach Alternativmaterialien bereitstellt. Außerdem haben wir mehrere Online-Workshops im Angebot, um die aktuelle Rechtslage und potenzielle Konsequenzen eines Verbotes zu erarbeiten. ➠ SKZ – Das Kunststoff-Zentrum Friedrich-Bergius-Ring 22, 97076 Würzburg, Deutschland Dr. Andreas Köppel, a.koeppel@skz.de, www.skz.de Dr. Andreas Köppel (rechts), spricht im Interview mit Alexander Hefner, SKZ (links), über ein mögliches Verbot von PFAS (Fotos: Luca Hoffmannbeck, SKZ) Kaum etwas wird aktuell so intensiv diskutiert wie ein potenzielles PFAS-Verbot. Viele Kunststoffpro- dukte wären von einer solchen Regelung betrof- fen. Der Gruppenleiter Materialentwicklung am Kunststoff-Zentrum SKZ, Dr. Andreas Köppel, er- klärt im Interview, was PFAS ausmacht, welche Schwierigkeiten sie verursachen und was ein mögliches Verbot für Unternehmen bedeutet.
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