Extrusion 6-2022

37 Extrusion 6/2022 Auswahl der Kautschuk- und Thermoplastkomponente Zu Beginn des Forschungsvorhabens wurden zunächst geeig- nete Materialkombinationen identifiziert [HFL+22]. Dazu wurde die Verbundfestigkeit von gepressten Platten aus Thermoplast und Kautschuk im Schälversuch bestimmt. Aufgrund der hohen Verbundfestigkeit und der Nähe der thermischen Verarbei- tungsfenster wurde als Kautschuk Ethylen-Propylen-Dien- (Monomer)-Kautschuk (EPDM) und als Thermoplast ein Polyethylen niedriger Dichte (PE-LD) gewählt. Weitere Details zum Vorgehen bei der Materialauswahl sind [HFL+22] zu ent- nehmen. Konzeptionierung des Coextrusionswerkzeugs Der Verarbeitungstemperaturbereich eines PE-LD liegt zwischen 160 und 220 °C, die eines EPDM zwischen 90 und 120 °C [BBO+13, KPT07]. Zudem sind Thermoplastschmelzen deutlich niedrigviskoser als die Kautschukkomponente. Um zu verhin- dern, dass der Thermoplast den Kautschuk ummantelt und um die thermische Trennung zu realisieren, werden beide Kompo- nenten in getrennten Fließkanälen ausgeformt und anschließend unter Druck zusammengeführt. Um die Herstellbarkeit einer stofflichen Haftung zu prüfen, wurde der Fokus des Projekts auf eine rechteckige Profilgeometrie mit unterschiedlichen Einzel- schichtdicken der Komponenten gelegt. Die Austrittsgeometrie ist ein Rechteck von 6 mm Höhe (2 mm Thermoplast und 4 mm Kautschuk) und 20 mm Breite. Rheologische Profilwerkzeugauslegung Da eine schlitzförmige Schmelzeausformung vorgesehen ist, kann die Fließkanalauslegung in Anlehnung an eine Breit- schlitzverteilerauslegung erfolgen. Zur Schmelzeverteilung wurde ein Kleiderbügelverteiler mit der Software Vertigo der Aix- trusion GmbH, Arnsberg, numerisch optimiert. Der auskonstru- ierte Fließkanal ist in Bild 1 dargestellt. Um Totwassergebiete zu vermeiden, wurde der Kautschukfließ- kanal kontinuierlich ausgeführt. Wie von Hopmann und Michaeli empfohlen, wurden zur Vermeidung von Stagnationszonen in den Ecken diese im Austrittquerschnitt abgerundet. Außerdem wurden Einfallstellen mittig der Fließkanalseiten zur Kompensa- tion des Extrudatschwellens vorgesehen [HM16]. Um eine ther- mische Trennung zwischen der Thermoplast- und der Kautschukkomponente zu erzielen, wird der Kautschukfließka- nal im 90°-Winkel zum Thermoplastfließkanal geführt ( Bild 1 ). So kann der Werkzeugteil, der die Thermoplastkomponente führt, separat beheizt werden, da er von allen Seiten zugäng- lich ist. Um nun die gemeinsame Fließweglänge von Thermo- plast und Kautschuk zu variieren, wurde der Zusammen- fließwinkel stufenweise verändert, wie in Bild 2 dargestellt. Simulation der Temperaturverhältnisse im Coextrusionswerkzeug Es wurden thermische Simulationen des konstruierten Werk- zeugs mit der Simulationssoftware OpenFOAM (OpenFOAM Foundation Ltd., London, Vereinigtes Königreich) durchgeführt, um eine effektive und effiziente thermische Entkopplung der Fließkanäle zu gewährleisten. Es wird ein eingeschwungener sta- tionärer Zustand mit laminarer, wandhaftender sowie nicht-iso- thermer und inkompressibler Strömung betrachtet. Die Werkzeugbereiche Thermoplast und Elastomer sind separat tem- periert, was durch die Vorgabe entsprechender Temperaturen an der Wand abgebildet wird. Die Differentialgleichungen der Massen-, Impuls- und Energieerhaltung werden für die Größen Druck, Strömungsgeschwindigkeit und Temperatur gelöst, wobei für letztere zusätzlich die Schererwärmung und der Wär- metransport im Werkzeug berücksichtigt werden. Details finden sich in [HLS+22]. Zur Vorhersage der Grenzflächenausbildung bzw. zum Abschätzen auftretender Ummantelungseffekte wurde statt der initial vorgesehenen Mono-Material-Strömung eine Mehrphasenströmung betrachtet. In OpenFOAM war bisher lediglich die Berechnung von Mehrphasenströmungen möglich, wenn dabei entweder die Strukturviskosität vernachlässigt oder Isothermie angenommen wird. Da sowohl das strukturviskose Materialverhalten als auch die nicht-isotherme Betrachtung in dieser Anwendung relevant sind, wurde ein neuer Solver imple- mentiert, der sowohl das Materialverhalten als auch nicht-iso- therme Vorgänge berücksichtigt. Die Simulationen zeigen, dass ein möglichst kurzer gemeinsa- mer Fließweg sowie eine niedrige PE-LD-Temperatur anzustre- ben sind, um zu verhindern, dass das niedrigviskose PE-LD das EPDM im gemeinsamen Fließweg umschließt. Bei der Auskons- truktion wurde das Werkzeug zunächst in eine Ober- und Un- terhälfte unterteilt. So kann die Reinigung des EPDM-Fließkanals Bild 2: Variation der gemeinsamen Fließweglänge A B C 15° 30° Variation der gemeinsamen Fließweglänge (A = 18 mm, B = 13,9 mm, C = 7,7 mm)

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