Extrusion 7-2022
Eingebauter Probekörper mit schwarz-weißem Muster nach dem Test bei 80°C (Ansicht von unten (stempelabgewandt) durch das Seitenfenster) (Foto: Fraunhofer LBF) 95 Extrusion 7/2022 ➠ Fraunhofer-Institut für Betriebsfestig- keit und Systemzuverlässigkeit LBF www.lbf.fraunhofer.de Durchbiegung der Probe ver- ursacht wird. In der Mitte der Probe tritt eine gleichmäßige biaxiale Zugspannung auf. Die Kontaktfläche wird geschmiert und die Reibung beim Kraft- einbringen verringert. Span- nungssingularitäten im Einspannbereich werden durch eine spezielle Gestaltung der Kanten der Kreisringe reduziert. Die Verformung des Probekörpers wird von einer CCD-Kamera mit einem tele- zentrischen Objektiv aufgenommen. Da- durch lässt sich verhindern, dass virtuelle Dehnungen erfasst werden, die entste- hen, wenn sich die Betrachtungsebene entlang der optischen Achse verschiebt. Die Auswertung der Geometrieänderung in der Platte erfolgt in einem anschlie- ßenden Post-Processing unter Verwen- dung von Grauwert-Korrelationssoft- ware. Zusätzlich wird eine zweite CCD- Kamera eingesetzt, die den Beginn der Plastifizierung am Rand der Einspannung erfasst. Die Testergebnisse können bis zu einer Durchbiegung der Platte von 6 mm aus- gewertet werden. Durch Variation des Durchmessers des Spannzeugs und der Geometrie des Indenters lassen sich ver- schiedene Formen von Biegelinien erzie- len. Die optimalen Abmessungen werden mit den Wissenschaftler*innen im Fraun- hofer LBF je nach den Materialeigen- schaften, der Probendicke und den Prüfanforderungen individuell abge- stimmt. Die Prüfungen werden nach Kun- denspezifikationen oder nach den Em- pfehlungen des Instituts bei Temperatu- ren bis zu 120 °C durchgeführt. Auswertung der Deformation durch digitale Bildkorrelation : Die Proben- dicke wird vor der Prüfung gemessen. Der Probekörper wird mit einem statistisch verteilten schwarz-weißen Muster ge- sprenkelt und dann direkt geprüft, damit n Kunststoffbauteile werden im ersten Schritt auf Basis der für Metalle bewähr- ten Modelle ausgelegt. Das kann zu kriti- schen Fehlinterpretationen bei Kunststof- fen führen, die vorwiegend mehraxialen Zugbelastungen ausgesetzt sind. Materi- almodelle für Kunststoffe benötigen Daten aus 2D- und 3D-Zugversuchen. Im Fraunhofer LBF wurden bekannte Prüf- vorschriften für den biaxialen Zugversuch unter Temperatureinfluss analysiert und auf den aktuellen Forschungsstand ge- bracht. Die implementierte optische Mes- sung während der Belastung erfasst das mechanische Verhalten. Diese Daten ver- einfachen die Auswahl und die Anpas- sung eines materialgerechten Modells. Eine zuverlässige Extrapolation auf 3D- Zug ist möglich und entscheidend für si- cheres und kosteneffektives Design von Kunststofftanks. Etablierte Auslegungsmethoden basieren in der Regel auf Daten aus uniaxialen Zugversuchen. Bei Kunststoffbauteilen sind solche Methoden kritisch zu bewer- ten. Vor allem bei Tanks und Behältern, die unter Innendruck stehen. Bei Ventilen oder Bauteilen in Unterwasseranwendun- gen führen solche Auslegungen zu “un- erwartetem” Versagen im Einsatz. Ziel des Forscherteams ist, der Industrie an- wendungsbezogene und wirtschaftliche Methoden bereitzustellen, die es erlau- ben, grundlegende Informationen über das mechanische Verhalten unter mehr- axialen Zugbelastungen abzuleiten. Die neue Vorgehensweise des Fraunhofer LBF liefert sowohl Daten für eine zuver- lässige Modellierung von Bauteilen unter praxisrelevanten Belastungen als auch ge- eignete Auslegungswerkzeuge. Bauteile aus dem Automotivebereich, Komponen- ten im Flugzeugbau oder Produkte für Sport, Medizin und Haushalt können zu- verlässiger und kostengünstiger ausgelegt werden. Moderne Methode für 2D-Zugversu- che : Die Prüfvorrichtung wurde für Kunststoffplatten der Dicke rund zwei Millimeter konzipiert. Diese Dicke ent- spricht der typischen Wandstärke von Kunststoffbauteilen im Spritzgussbereich. Die Platte wird in der Vorrichtung zwi- schen kreisförmigen Ringen fest einge- spannt und mittig mit einer Halbkugel des Indenters belastet, wodurch eine Innovativer 2D-Zugversuch für Design von Kunststofftanks eine optimale Haftung zwischen der Platte und dem Muster bis zum Versagen erreicht wird. Dies ermöglicht die Aus- wertung der Dehnungen auf der Proben- oberfläche durch digitale Bildkorrelation als Funktion der Belastung. Darüber hin- aus ermöglicht der Aufbau die Erfassung lokaler Effekte und, bei Bedarf, die Un- tersuchung des Entlastungsverhaltens der Polymere. Außerdem erlaubt der Prüfauf- bau die Ermittlung der Kriecheigenschaf- ten unter 2D-Zug. Die Gesamtbelastung vs. die Durchbie- gung als Funktion des Radius werden durch Methoden des Reverse-Enginee- rings nachgestellt. Bei bisherigen Unter- suchungen wurde eine gute Überein- stimmung zwischen den experimentellen und den Simulationsergebnissen bei ver- schiedenen Temperaturen erreicht. Die Daten werden zum Beispiel für die Auslegung und Untersuchung von Versa- gensfällen in Kunststofftanks unter In- nendruck und erhöhten Temperaturen verwendet. Basierend auf den gewonne- nen Daten werden in Simulation genutzte Materialmodelle und Festigkeitskriterien an die Kunststoffe materialgerecht ange- passt. Die Fraunhofer Forschenden analy- sieren die individuellen Herausforderun- gen bei der Modellierung der kritischen Kunststoffkomponenten und bieten Ex- pertise auf allen Ebenen des Designpro- zesses.
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