Extrusion 8-2022
39 Extrusion 8/2022 Kann man mit einer verbesserten Extrusions- technik Qualitätsschwankungen im Material ausgleichen? Dr. Gneuß : Ja, auf jeden Fall. Das ist eine der Kern- aufgaben für das Recycling-Equipment. Es muss mit unterschiedlichen Eingangsqualitäten klarkommen. Aber letztlich ist es die Sortenreinheit, die bestimmt, welche Qualitäten herauskommen. Wenn man jetzt die Frage stellt, ob eine verbesserte Extrusionstechnik das sortenreine Trennen unnötig macht, dann ist die Antwort nein. Denn wenn man beim Aufschmelzen verschiedene Kunststoffarten vermischt, bekommt man immer Qualitätseinbußen. Ist Recycling auch wirtschaftlich interessant? Dr. Gneuß : Im Moment sehen wir in einigen Seg- menten ein “ Koste-es-was-es-wolle-Recycling ”. Man steht einfach unter dem Druck, Rezyklate einsetzen zu müssen, weil man seine Produkte ansonsten gar nicht mehr verkaufen kann. Da, wo diese Prozesse etablier- ter sind, da kommt natürlich die Wirtschaftlichkeit in den Vordergrund. Hier werden wir noch wesentliche Fortschritte in den nächsten Jahren sehen. Dieses zu- nehmende Augenmerk auf Wirtschaftlichkeit ist eine Entwicklung, die uns als Unternehmen durchaus in die Karten spielt. Noch haben wir ein Mengenproblem. Wie kann der Mangel beseitigt werden? Dr. Gneuß : Das Mengenproblem ist in der Tat zentral. Es wird maßgeblich durch das Produktdesign und die Abfallsammlung bestimmt. Wenn man das Problem lösen will, muss man also sehr früh in den Prozess eingreifen. Lösungsansätze gibt es schon, seien es zum Beispiel mehr Monomaterialien oder weitere Pfandsysteme. Unsere Aufgabe wird es sein, die technischen Voraussetzungen für neue Recyclingkreisläufe bereitzustellen. Das werden wir schaffen. Der Engpass sind Sammlung und Pro- duktdesign. Da wird sich etwas tun müssen, denn sonst klappt die Kreislaufwirtschaft nicht und wir kommen als Kunststoffin- dustrie nie aus der Schmuddelecke heraus. Es gibt ja zwei Kritikpunkte an Kunststoff. Der eine ist die CO 2 - Bilanz, die unter anderem über zu niedrige Recyclingquoten be- lastet wird. Der andere ist die Vermüllung der Landschaft und der Meere. Auch das ist ein großes Problem, aber es hat mit dem Recycling nur sekundär zu tun, da es sich hierbei primär um ein Entsorgungs- und Sammlungsproblem handelt. Aber wir kön- nen das Problem nicht von uns wegweisen. Wir sehen im Mo- ment, politisch, insbesondere in Europa und Nordamerika, einen erheblichen Druck auf die Kunststoffprodukte. Da sind Recy- clingquoten und Vorgaben eigentlich der leichtere Weg. Frank- reich zum Beispiel, hat relativ niedrige Sammelquoten, aber eine zunehmende Tendenz zum Verbot von Kunststoffprodukten. Aber das ist oft die schlechteste Lösung, denn die alternativen Materialien sind in Sachen Nachhaltigkeit und CO 2 -Bilanz selten besser. Wir müssen uns um beides kümmern: etwas gegen die Vermüllung tun und die CO 2 -Bilanz verbessern. Beides muss im Produktdesign berücksichtigt werden. Braucht man auch beim Produktdesign Vorschriften? Dr. Gneuß : Teilweise ja, aber für allgemeine gesetzliche Vor- ➠ VDMA Kunststoff- und Gummimaschinen Lyoner Straße 18, 60528 Frankfurt am Main, Deutschland vdma.org/kunststoffmaschinen-gummimaschinen ➠ Gneuss Kunststofftechnik GmbH Mönichhusen 42, 32549 Bad Oeynhausen, Deutschland www.gneuss.com schriften im Produktdesign ist das Thema, glaube ich, zu kom- plex. Auch fürchte ich, dass uns die Zeit davonläuft, wenn wir auf umfassende Vorgaben warten. Diese Diskussion wird schon lange geführt, aber noch immer ist es so, dass die Recyclingfä- higkeit bei vielen Produkten an letzter Stelle des Entwicklungs- prozesses steht. Man kann ja schnell auf eine Verpackung schreiben, dass sie Rezyklat enthält. Was genau, wieviel und wie recycelt wird und ob es Sinn macht, steht auf einem ganz an- deren Blatt. Da ist noch viel Arbeit vor uns. Wo werden wir in drei Jahren stehen? Dr. Gneuß : Ich sehe den Druck steigen und der wird zu Verän- derungen führen. Nicht nur im Verpackungsbereich, der ja für die Vermüllung der Meere vor allem verantwortlich ist. Auch für Kleidung wird immer mehr Kunststoff eingesetzt. Und diese Klei- dung wird immer schneller entsorgt. Ich gehe davon aus, dass wir schon auf der K 2025 durchaus Änderungen sehen, dass ein Umdenken im Produktdesign stattfindet, dass wir bessere Sam- melsysteme haben werden und dadurch bessere Warenströme. Entsprechend werden auch die Anforderungen an die Anlagen- und Maschinenbauer anders sein. Aber wir sind es gewohnt, dass sich Bedingungen ändern und wir uns anpassen müssen. Vielen Dank für das Gespräch!
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