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Kriterium: Trocknen

I

n der Kunststoffverarbeitung wirkt

sich die Feuchte des Materials ent-

scheidend auf die Prozesssicherheit

und die Produktqualität aus. Betrof-

fen sind der Verarbeitungsprozess

selbst wie auch die Qualität der her-

gestellten Produkte. Ursache ist das

Verhalten der Kunststoffe gegenüber

Feuchtigkeit in ihrer Umgebung. So

sind viele Kunststoffe (PA, PC, PET)

hygroskopisch, das heißt sie nehmen

Wasser auf, auch innerhalb des Gra-

nulatkorns, also ihrer Molekülstruk-

tur. Man spricht dabei auch von

Kernfeuchte. Bei nicht-hygroskopi-

schen Kunststoffen lagert sich die

Feuchtigkeit hingegen nur an der

Oberfläche an, was nicht heißt, dass

die Füll- und Verstärkungsstoffe in ih-

nen nicht ihrerseits Feuchtigkeit auf-

nehmen.

Bei bestimmten Kunststoffen löst

Wasser während des Aufschmelzens

eine chemische Reaktion aus, welche

die Molekularstruktur verändert. Die-

se als Hydrolyse bezeichnete Reakti-

on hat ein reduziertes Molekularge-

wicht zur Folge mit dem Ergebnis,

dass die Viskosität sinkt.

Ob nun ein Kunststoff vor seiner Ver-

arbeitung zu trocknen ist, hängt

nicht zuletzt von der so genannten

Verarbeitungsfeuchte

ab. In der

Dokumentation technischer Kunst-

stoffe werden zunehmend enge

Restfeuchtetoleranzen der Rohstoffe

angegeben, zum Beispiel 0,03 bis

0,05 % H

2

O unmittelbar vor der Ver-

arbeitung. Es handelt sich hierbei um

materialspezifische Werte, die der

Rohstoffhersteller ermittelt und zur

Verfügung stellt. Schlussendlich ist

eine gleichbleibende, definierte Rest-

feuchte eine Voraussetzung dafür,

Ausschuss zu vermeiden und die Pro-

duktqualität sicherzustellen. Denn

des Guten zuviel ist auch nicht rat-

sam, weil auch übertrocknete Kunst-

stoffe Probleme bereiten. An dieser

Stelle soll nicht weiter auf die physi-

kalischen Zusammenhänge bei der

Kunststofftrocknung eingegangen

werden. Nur eins sollte hier noch klar

gestellt werden:

Vielfach ist von Taupunkten von

-40ºC bis hin zu -60°C zu lesen. Diese

Werte sind in den meisten Fällen Ef-

fekthascherei. Eine Taupunkttempera-

tur von ca. -20°C genügt in der Regel

für das Trocknen fast aller hygroskopi-

schen Kunststoffe. Bei gleichbleiben-

der Trocknungstempera-

tur bewirken unterschied-

liche Taupunkttemperatu-

ren erfahrungsgemäß nur

kleine Geschwindigkeits-

unterschiede beim Trock-

nen, während sie zusam-

men mit der Trocknungs-

temperatur die minimal erreichbare

Restfeuchte (Gleichgewichtszustand

zwischen Granulatfeuchte und Tro-

ckenluft) bestimmen.

Einer Temperaturerhöhung bei der

Granulattrocknung sind auch Gren-

zen gesetzt, da sie unter dem

Schmelzpunkt des Granulats bleiben

muss. Es gibt aber noch weitere

Gründe. PA beispielsweise darf nur

mit einer maximalen Temperatur von

80ºC getrocknet werden, obwohl

sein Schmelzpunkt deutlich höher

liegt. Eine höhere Temperatur würde

eine Oxidation des Materials nach

sich ziehen, solange Sauerstoff im

Trocknungsbehälter ist. Es macht da-

her mehr Sinn, den Wassergehalt in

der Luft zu reduzieren und damit die

relative Luftfeuchtigkeit zu senken.

Messgeräte zur komfortablen Be-

stimmung der Feuchtigkeit im Gra-

nulat sowie zur Bestimmung des Tau-

punktes im Trocknungsprozess sind

wichtige Hilftsmittel in der modernen

Kunststoffverarbeitung. Die quali-

tätsrelevanten Parameter lassen sich

komfortabel bestimmen und doku-

mentieren. Für das Trocknen von

Kunststoffen sind folgende vier von-

einander abhängige Parameter aus-

schlaggebend:

1. Trocknungstemperatur:

Sie be-

einflusst als wichtigste Größe die

Trockengeschwindigkeit. Oberhalb

der Glastemperatur nimmt die Diffu-

sionsgeschwindigkeit überproportio-

nal zu.

2. Trockenluftmenge:

Sie transpor-

tiert die Wärmeenergie, um das Ma-

terial zu erwärmen, und um die am

und im Granulat vorhandene Feuch-

te zu verdampfen und abzuführen.

Auch die Luftmenge bestimmt die

Trockengeschwindigkeit, lässt sich je-

doch nicht beliebig wählen.

3. Taupunkttemperatur:

Sie gibt

den Trockenheitsgrad von Luft an. Es

handelt sich um die Temperatur, bei

der die relative Feuchte 100% be-

trägt, das heißt die Luft mit Wasser-

dampf gesättigt ist.

4. Trockenzeit:

Sie ist materialspezi-

fisch von der Diffusionsgeschwindig-

keit des Wassers aus dem Granulat,

der Anfangsfeuchte sowie von der

benötigten Restfeuchte abhängig. Zu

langes Trocknen kann, in Verbindung

mit einer zu hohen Temperatur, das

Material schädigen.

% H 2 O max

% H 2 O min

Trocknen auf den Punkt genau

mit Messgeräten von digicolor

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BIGfritz: Materialhandling

Extrusion 1/2016

Das MOISTURE METER ist auf dem Markt der Entfeuchtungs-

systeme eine absolute Neuheit. Es misst die effektive Rest-

feuchte im behandelten Kunststoffgranulat während des Pro-

zesses. Durch das konstante Zusammenspiel zwischen Gerät

und Trockner kann der Prozess so gesteuert werden, dass das

Material exakt entfeuchtet wird, so wie es vom technischen

Datenblatt des Materials gefordert wird

(Werkbild: Moretto)

Abhängig von den Jahreszeiten, kann sich mal mehr und mal

weniger Feuchtigkeit am Material anlagern

(Werkbild: motan-colortronic)